„FAMILIE, HEIMAT, NATUR, TRADITION, SPITZENWEINE„ – so lautet eine Zeile auf der Webseite des Weingutes Braunewell. Im Selztal in Rheinhessen heimisch, beschreiben die fünf Worte sehr genau die Philosophie des Weingutes.
Tradition und Moderne
Die Familie Braunewell gibt es seit 1655 als Weinbauern in Essenheim. Was im 17. Jahrhundert mit einem für diese Zeit typischen Mischbetrieb anfing, wird heute mit viel Leidenschaft und Motivation von der jüngeren Generation als reines Weingut weitergeführt und bewirtschaftet mittlerweile 27 Hektar Rebfläche mit besten Lagen im Selztal. Aktuell sind auf dem Weingut vier Generationen aktiv, über Opa Adam Braunewell, den Eltern Axel und Ursula und die Söhne Christian und Stefan Braunewell, auch nächste Generation fühlt sich schon auf dem Weingut wohl.
Die Aufgaben sind klar verteilt, so dass vorhandenes Wissen und Tradition mit der Moderne einhergehen kann, denn die Jungwinzer waren einige Zeit im Ausland. Haben Neues kennengelernt, Erfahrungen gesammelt und davon profitiert nun das Weingut.
Im Rahmen der #sekttourdeutschland habe ich bereits über das Weingut Braunewell im Kapitel Rheinhessen geschrieben. In diesem Sommer konnte ich das Weingut persönlich besuchen.
Das Weingut selbst befindet sich am Rande der Örtchens Essenheim. Auf der Durchfahrt fällt mir an einer Kreuzung ein Strassenschild auf. Direkt geben über dem Rathaus (oder soll ich besser sagen MAIRIE) steht neben einer wunderschönen und malerisch an der Steinmauer rankenden roten Kletterrose das Schild mit der Aufschrift „Strasse der Champagne“. Nein, verfahren habe ich mich nicht, denn wir sind hier mitten in Deutschland. Aber wer weiß, was da dahinter steckt – ich werde die Familie Braunewell danach fragen.
Auf dem Weg in die Zukunft
Beim Weingut angekommen, sehe ich, dass das Weingut gerade mitten in einem Neubauprojekt steckt. So ist Stefan Braunewell bei meiner Ankunft überraschend mittendrin im Bautrubel. Spontane Handwerkerbesuche sind auf dem Land kein Einzelfall, man kennt sich ja, bekomme ich zu hören. Herzlich nimmt mich Maria Barwig, Verkaufsleiterin des Weingutes, in Empfang und wir starten gleich zu einer Rundtour durch das Weingut. Vor der Baustelle erfahre ich, dass das Weingut eine größere Vinothek baut. Doch auch Familie Braunewell bleibt von Corona bedingten Problemen nicht verschont, Handwerker oder Materiallieferungen etc. blieben aus oder verspäteten sich. Deshalb konnte die Vinothek nicht zum geplanten Termin im Sommer eröffnet werden. Mir scheint, die Familie Braunewell nimmt es gelassen – aber anders geht es in diesen Zeiten auch nicht.
Beim Durchlaufen der noch unfertigen Räume bemerke ich den wunderschönen Blick, den die mit deckenhohen Fenstern auf die angrenzenden Weinberge freigeben. Leicht kann ich mir vorstellen, wie nett man einmal auf der Terrasse sitzen kann. Der Umbau verschafft dem Weingut die Möglichkeit, der gestiegenen Nachfrage sowie einer zeitgemäßen Präsentation der Weine gerecht zu werden. Auch können durch den erweiterten Platz Veranstaltungen besser durchgeführt werden.
Strasse der Champagne
Ich spreche Maria auf die Strassenbezeichnung „Strasse der Champagne“ im Zentrum von Essenheim an und es stellt sich heraus, dass der Ort Partnerstädte in der Champagne hat. In Wahrheit gibt es nicht nur eine Partnerstadt, sondern gleich vier – mit den Orten Boursault, Châtillon-sur-Marne, Festigny und Verneuil. Einige Orte sind den Champagnerfreunden unter Euch sicherlich bekannt. Regelmäßig finden zwischen den Ortschaften Treffen statt und da steht sicherlich auch mal das Thema Sekt und Champagner auf der Tagesordnung.
Erfolgsgeheimnis
Wir steigen hinab in den Keller. In der alten Vinothek sind Gesteinsproben aus den regionalen Weinbergen ausgestellt. Wieder einmal mehr erfahre ich, wie wichtig die enorme Vielfalt und Qualität der vorhanden Böden für die Reben ist. Vorherrschend sind u. a. Mergel- und Kalkböden. Böden, die vor Millionen Jahren durch das Urmeer, welches die Ebene einst bedeckte, entstanden sind. Davon zeugen noch heute die Funde von versteinerten Schnecken, Haifischzähnen oder anderen Fossilien. Diese Böden bieten den Reben alles, was sie benötigen, und es wird sehr darauf geachtet, dass die Rebsorten auf die vorherrschenden Bodenverhältnisse abgestimmt sind.
Von der alten Vinothek gehen wir in den kühlen Fassweinkeller. Das Weingut lagert hier Weine bzw. Grundweine für Sekt in verschieden großen Fässern. Die Sorte und die Größe des Holzfasses sowie der mehrmalige Gebrauch verändern den Einfluss des Holzes auf den Grundwein. Das heisst, das Weingut muss sich genau überlegen, welche Stilistik und wie stark der Einfluss des Holzes auf den Grundwein sein soll. Jetzt entdecke ich die Lichtanlage – durch die Farbeffekten bekommt man das Gefühl, in einer Kathedrale zu stehen. Gab es schon einen Forscher, der sich mit dem Einfluss von Farbe auf das Reifen von Wein beschäftigt hat?
Unsere Tour geht weiter in Richtung Rüttelpulte. Hier liegt ein sehr schöner Sekt 2014 Pinot Prestige, bei dem die letzten Flaschen des Jahrganges auf das Degorgieren warten.
Neben dem Rütteln und Degorgieren wird auch für spezielle Linien wie den Dinter Rosé noch viel per Hand erledigt! Im Falle des Dinters werden die Etiketten manuell an der Flasche befestigt und wie ich finde, steigern damit die Wertigkeit der Flasche. Ich weiß, nur der Inhalt zählt, deshalb beschreibe ich den Wein am Ende dieses Artikels ausführlicher.
Charakterweine mit Ecken und Kanten
Und was für welche – diese Charakterweine kommen an! Die letzten Jahre waren für die Brüder Christian und Stefan sehr erfolgreich. So stauben sie beim Eichelmann Weinführer 4 Sterne ab, hier mal 3 Trauben beim Gault Millau, aber was für mich interessanter ist, sie sind u. a. beim Falstaff als eine der 12 besten Sekterzeuger Deutschlands gelistet. Der Blanc de Blanc 2016 war schon Sieger beim Meiningers Deutscher Sektpreis 2019 und in diesem Jahr konnte der Riesling Brut 2016 den ersten Platz in der Kategorie Riesling Sekt beim Meiningers Deutscher Sektpreis 2020 erlangen. Die Liste kann ich einfach und schnell erweitern, aber eigentlich sind mir Auszeichnungen ziemlich egal, da ich unabhängig für meinen Schaumweinblog agiere. Aber ich würde diese Auszeichnungen nicht erwähnen, wäre ich nicht selbst von der Qualität der Weine und Sekte überzeugt.
Ein Rosé-Weingut der Spitzenklasse
Eines muss ich an dieser Stelle noch ergänzen: Als ausgesprochener Fan von Rosé(wein)sekt hat es mich besonders gefreut, dass das Weingut auch in dieser Kategorie punkten konnte. Der Dinter Rosé – der Rosé 2018. Ein aussergewöhnliches Projekt zwischen Weingut Braunewell und einem guten Freund namens Herrn Dinter! Das erklärte Ziel dieser Kooperation, Rosé als „ernsthaften“ und Premium Wein zu etablieren. Für mich ein wundervolles Projekt, habe ich nie verstanden, warum Rosé nur leicht und ein Sommerwein sein soll? Dieses Ziel wurde erreicht, konnte der Dinter Rosé – der Rosé nicht nur national sondern auch beim International Rosé Championship 2020 gewinnen.
Alle Achtung, wenn man bedenkt, was da für Rosés an den Start gehen! Ich habe gleich den Dinter Rosé eingepackt, um ihn mit dem Vorzeigerosé von Miraval aus der Provence zu vergleichen. Dazu gibt es an anderer Stelle mehr! Vorab kann ich schon verraten, mehr als die Flaschenform haben sie nicht gemeinsam!
Rebsorten
Mit etwas Erstaunen bemerke ich anhand der Weinkarte, dass das Weingut Braunewell eine recht große Bandbreite an Rebsorten anbietet. Beim genaueren Hinsehen wird aber schnell klar, dass die Familie eine Vorliebe für Riesling sowie den Burgundersorten hegt. In kleinen Mengen sind regionale Trauben wie die Scheurebe genauso zu finden wie internationale Trauben wie Merlot.
Die Zahlen auf der Webseite des Weingutes belegen meinen Eindruck, betragen doch die Burgundersorten (darunter fallen Spät-, Grau-, Weißburgunder sowie Chardonnay) ca. 50 % der gesamten Rebfläche, der Riesling folgt mit 30 %. Während Scheurebe, Schwarzriesling, Merlot oder Sauvignon blanc mit kleiner Anbaumenge vertreten sind.
Ab zu den Weinen
Nach dem sehr informativen und kurzweiligen Rundgang mit Maria setzen wir uns auf die neue Terrasse. An diesem Tag ist es sommerlich heiß und somit beginnen wir die Verkostungsrunde mit gut gekühlten Roséweinen aus dem Sortiment. „Rosé und seine Farben“ ist diesen Sommer ein spannendes Thema in meinem Blog.
Den Start macht der Gutswein 2019 Summer Rosé trocken. Ein sehr schöner, unkomplizierter und erfrischender Rosé mit leichter Fruchtsüße. Beeindruckende Farbe – sie schimmert nämlich kräftig Rosarot! Als Rotweincuvée schön aromatisch an der Nase, mit Noten von Himbeere sowie Cassis. Am Gaumen schmackhafte Fruchtsüsse und mit guter Säurestruktur. Nice & easy. Wie mir verraten wurde, ist der Summer Rosé ein nachgefragter Gastronomiewein!
Rosésortiment, Weingut Braunewell – Fotos ©schampuslounge
Weiter geht es mit der Dinter Serie, wie schon eingangs erwähnt, ein sehr bemerkenswertes und gelungenes Projekt!
Der Dinter Rosé 2018 trocken (Im Namen des Rosé)* ist der Einstiegswein der Serie, ein Cuvée von Pinot Noir, St. Laurent und Merlot. Die Farbe geht in Richtung kräftiges Kupfer- oder Zwiebelschalenrot. Keinerlei Himbeerefarben, die so oft bei jungen oder beerenfruchtigen Weinen zu finden ist! Schon die Farbe verrät, was welchen Charakter der Wein haben könnte und in diesem Falle stimmt der Eindruck aber Achtung, nicht von der Farbe sofort auf den Inhalt schließen! Dazu habe ich mir diesen Sommer in einem anderen Artikel so meine Gedanken gemacht. Die Aromen an der Nase sind kräftig und zeigen feine Kirschen, Würze und frisches Toast. Der Gaumen überzeugt durch seine tolle Trockenheit, einer schönen roten Fruchtnote sowie etwas Vanilleschote. Von diesem Rosé trinke ich gerne noch ein zweites Glas!
Maria führt an, dass Teile des Cuvées im Barrique ausgebaut wurden. Das erklärt, warum ich leichte Anklänge an Vanille gefunden habe. Da ich kein Freund von zu viel Aromen von Vanille, Sahne oder auch Schokolade im Wein bin, finde ich hier den Einsatz von Barrique harmonisch und sehr gelungen.
Nun gehts zum Dinter Rosé 2018 trocken (der Rosé)*, dem Premium Cuvée von Braunewell. Wow, was man hier im Glas hat! Der Rosé zeigt sich sehr komplex an der Nase, mit zu Beginn etwas verhaltener roter Frucht, aber mit deutlich mehr würzigen Aromen als der Rosé „Im Namen des Rosé“. Saftige, reife Beeren, auch dunkle Kirschen schmecke ich heraus. Der Rosé erinnert mich etwas durch seine aromatische Würze an Aromen eines Sherries. Sehr geschmeidig am Gaumen und die gut eingebundenen Vanillearomen verleihen dem Wein eine schöne Schmelzigkeit. Dieser Wein hat Kraft, ist kompakt und besitzt Länge. Da kann es gerne auch etwas deftiger bei der Speisenauswahl zugehen.
Später erklärt Stefan, der zwischenzeitlich dazu kommen konnte, dass „der Rosé“ im Unterschied zu „Im Namen des Rosé“ einen höheren Spätburgunderanteil hat, aber ansonsten sind die vorher genannten Cuvéepartner, die gleichen. Um die bestmögliche Qualität zu garantieren, wurden Weinberge für die Roséweinbereitung angelegt bzw. umgestaltet. Auch werden alle Grundweine für den Dinter Rosé im Barrique vergoren.
Schon voller Spannung freue ich mich natürlich auf den Dinter Rosé Sekt 2016 trocken (die Perle)* , habe ich ihn im letzten Jahr schon einmal probieren können.
Limitiert auf 450 Flaschen ist der Dinter Rosé Sekt eine Spezialität des Hauses. Farblich ist er etwas heller als der Stillwein Dinter „der Rosé“. Das erklärt sich sicherlich dadurch, dass der Sekt ein 100 iger Spätburgunder ist. Von Hand gelesen und selektiert, reifte der Grundwein zuerst im „neutralen“ Stückfass und wurde nach einem Jahr versektet. Danach durfte der Wein einige Jahre in der Flasche auf der Hefe reifen.
Fein und elegant zeigen sich die Perlen im Glas. Sehr ausdrucksstark präsentiert sich der Sekt an der Nase. Hier umspielt ein Bukett von Hagebutte, roter Johannisbeere sowie Thymian die Nase. Am Gaumen gibt sich der Sekt weich und rund, auch sind Nougat- sowie Biskuitaromen zu schmecken. Komplexer und dichter Körper, der weitere Aromen von saftigen Kirschen sowie Minze zeigt. Kraftvoller Nachgang! Für mich ein perfekter Allrounder Sekt, der sich sehr gut als Aperitif, aber auch als Essensbegleiter eignet.
Nachklang
Nach vielen rosigen Impressionen neigt sich leider mein Besuch im Weingut dem Ende entgegen. Es gäbe noch viel zu fragen, da ich weiß, dass das Weingut Braunewell nicht nur nach der besten Weinqualität strebt, sondern sich auch bei der Organisation Fair´n Green engagiert. Eine Organisation, die für einen allumfassenden und nachhaltigen Weinbau steht. Aber dies wird ein Kapitel sein, dass ich mit Sicherheit in der Zukunft in meinem Blog aufnehmen werde.
Mit positiven Eindrücken verabschiede ich mich und verlasse das Weingut Braunewell. Am Ortsausgang von Essenheim stosse ich wiederum auf die Verbindung des Ortes zur Champagne. Kein Wunder, dass manche Sekte hier so gut schmecken! In diesem Sinne – A la votre!
Dieser Text erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Er wurde von mir – ohne Auftrag oder Vergütung – verfasst und beinhaltet ausschliesslich meine persönliche Meinung.
Links mit kommerzieller Nutzung wurden mit einem * markiert (Affiliateprogramm).
*drink responsibly*
Titelfoto: ©Ines Barwig Weingut Braunewell / andere Fotos ©schampuslounge