Nathalie Vranken: Champagner Brut – Eine traditionsreiche Leidenschaft! Nathalie Vranken bringt es auf den Punkt: Champagner Brut verkörpert seit 150 Jahren dank Madame Pommery eine traditionsreiche, erlesene Emotion – weit mehr als nur ein Schaumwein.
In dieser Serie stelle ich Ihnen immer wieder besondere Persönlichkeiten aus der Weinbranche vor. Der heutige Artikel führt uns in die Champagne, genauer gesagt zu Champagne Pommery in Reims, einer der führenden Domaines de Champagne. Das französische Unternehmen wurde 1836 als Pommery et Greno gegründet. 2002 übernahm die Gruppe Vranken-Pommery Monopole die Marke. Geschäftsführer Thomas Wirz (Vranken-Pommery Deutschland & Österreich GmbH) hatte anlässlich des 150-jährigen Jubiläums seit der Erfindung des Brut-Champagners durch Madame Pommery eingeladen und ich hatte die Gelegenheit, vorab mit Nathalie Vranken zu sprechen.
Nathalie Vranken, Miteigentümerin und Generaldirektorin von Vranken-Pommery Monopole. Sie gilt als Vorreiterin für Frauen in Führungspositionen und ist auch die treibende Kraft für die Marke Pommery bzw. für Champagner als erlebbare Emotion. Zum Jubiläum lanciert das Champagnerhaus die Cuvée 150 Brut – einen Blanc de Blancs Champagner in limitierter Auflage. Diese Cuvée ist als Reminiszenz an den ersten Brut-Champagner von Madame Pommery kreiert worden. Auch wurde eine neue Qualität aus der Apanage Linie vorgestellt. Der Apanage 1874 Brut ist Multi-Vintage Champagner und moderne Interpretation der s ursprüngliche Brut Stilistik.
Es gibt aktuell eine Diskussion darüber, dass Frauen und Männer unterschiedlich verkosten. In Frankfurt gibt es die Women Wine Trophy oder in Japan ist der seit Jahren erfolgreicher Wettbewerb Sakura (female wine judge competition) federführend bzw. wegweisend. Was sagen Sie dazu?
Nathalie Vranken:
Ich sage, wir verkosten definitiv anders. In der Weinbranche sehen wir, dass Frauen anders sind als Männer, ich meine hoffentlich sind wir anders als Männer und schmecken wir aus diesem Grund nicht gleich. Wir organisieren in Japan einen Sommelier-Wettbewerb (Anmerkung: Pommery Sommelier Concours Japan). Fest steht, dass Frauen doppelt so viel arbeiten, um der beste Sommelier in Japan zu werden. Sie wollen alles lernen, sind unheimlich engagiert, um dieses Ziel zu erreichen, bleiben dabei aber bodenständiger.
Die Geschichte der Champagne wurde in vielen Bereichen von starken Frauen geprägt. Würden Sie sagen, dass man etwas Besonderes braucht, um diese Position auszufüllen? Was würden Sie jüngeren Frauen raten?
Nathalie Vranken:
Nein, es ist das eigene Leben, das einen in die Position bringt. Es ist das eigene Leben, in dem man eine Position erreicht. Es ist das Leben, wie wir gehandelt haben. Madame Pommery war Witwe, sie hatte keine Wahl, sie musste weitermachen. Ich bin nicht die Chefin von Vranken-Pommery, das ist der Präsident, aber ich stehe immer hinter dem Präsidenten – so treibt einen das Leben voran. Macht – und da bin ich mir ganz sicher: Macht bekommt man nie geschenkt, man muss sie sich nehmen. Wenn du es nicht tust, wirst du frustriert sein, weil du nicht gesagt hast, dass du die Position gut findest. Ich glaube, da Madame Pommery eine Witwe war, musste sie es tun. Nicht nur, weil sie in der Champagne war, sondern einfach weil sie für das Auskommen ihrer Familie sorgen musste und weil in ihr eine große Vision steckte.
Man muss verstehen, dass eine Frau zu diesem Zeitpunkt keine Geldgeschäfte tätigen konnte. Es ist schwer zu glauben, aber bis 1964 wurde Frauen in Frankreich der Zugang zu Geld verwehrt, sie mussten ihren Ehemann bitten, ihnen Geld auszuzahlen. Es ist nicht so einfach, wir haben zwar 100 Jahre das Recht zu wählen, aber weniger als 60 Jahre, um unser eigenes Geld auf einem Bankkonto zu verwalten – davor war das Konto nur für Monsieur und Madame.
Madame Pommery war eine starke Frau, aber für viele Geschäfte brauchte sie einen Partner. Das hat sich Gott sei Dank geändert.
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Im Jahr 2024 feiert das Haus Pommery 150 Jahre Brut Champagner. Der erste Brut-Champagner wurde von Madame Pommery kreiert. Hat sich die Cuvée seither verändert? Wie?
Nathalie Vranken:
Natürlich hat sich die Cuvée verändert, denn sie war damals die Erste, die diese neue Stilistik ins Glas brachte! Was sich nicht verändert hat, ist das Verfahren. Sie hatte eine geniale Idee, die vorher niemand hatte und dafür muss man ihr einfach Tribut zollen.
Es ist unglaublich – heute trinkt die ganze Welt – was vor 150 Jahren mit dem Brut-Champagner begann, einem Champagnerstil, der auf ihrer Idee beruht! Angesichts dieser Bedeutung ist es an uns allen, ihr eine Hommage zu erweisen. (Anmerkung: Damals wurde Champagner üblicherweise als Dessertwein produziert. Der englische Markt verlangte aber nach trockenem Wein – um diesem Wunsch gerecht zu werden, beauftragte Madam Pommery allen Widerständen zum Trotz, ihren Kellermeister, die Dosage auf 12 g/l zu begrenzen)!
Damals änderte sich die Geschmackspräferenz von lieblich zu trocken – die Erfindung des ersten Brut durch Madame Pommery war – wie Sie sagten – die Antwort darauf. Haben Sie den Eindruck, dass sich der Geschmack in Laufe der letzten Jahrzehnte wieder verändert hat?
Nathalie Vranken:
Der Geschmack der Konsumentinnen hat sich nicht geändert. Wir sind keine Weinverkäufer, wir sind Emotionenverkäufer. Was mit einer Marke verbunden ist, ist die Erinnerung, die man hat, die man geteilt hat, aber es ist nicht der Geschmack. Der Geschmack ist wichtig, aber nicht so wichtig wie die Emotion. Unsere Aufgabe ist es, Ihnen zu helfen, Erlebnisse zu schaffen. Und wo schaffen wir Emotionen, an schönen Orten, zu Hause, in verschiedenen Momenten, und dort müssen wir sein. Der Geschmack hat sich nicht verändert, mit weniger Zucker natürlich, aber das ist nicht das Wichtigste.
Das Rezept ist das gleiche, wir haben 28 % Reserveweine, die DNA des Brut. Allerdings haben wir ihn ins 21. Jahrhundert übertragen: Wir verwenden nicht die Ernte eines Jahres, sondern verschneiden drei außergewöhnliche Jahrgänge zu einer Cuvée. Das ist eine neue und zeitgemäße Art, Brut Champagner zu kreieren. Wir wollen etwas so Außergewöhnliches schaffen, so wie es Pommery damals getan hat. Sie hat den ersten Blend gemacht, den ersten Brut. Deshalb hat unser jetziger Kellermeister Clément Pierlot mit dem neuen Apanage 1874 Brut nur die besten Reserveweine dreier Ernten ausgesucht, also einen Multivintage Champagner assembliert, der eine neue Sinneserfahrung zum Ausdruck bringt.
Der gerade lancierte 150 Jahre Brut Champagner besteht aus einer Rebsorte, nämlich zu 100 % aus Chardonnay. Chardonnay scheint im Hause Pommery eine besondere Rolle spielt. Warum ist der Blanc de Blancs so wichtig?
Nathalie Vranken:
Das ist eigentlich auch die Antwort auf die erste Frage – was ist der Brut von heute. Ich glaube, der Brut von heute ist der Blanc de Blancs. Das war die Antwort von Madame Pommery: Sie wollte etwas, das leicht zu trinken ist, das allen Spaß macht, aber gleichzeitig eine absolute Finesse besitzt. So stellt man sich heute einen Blanc de Blancs vor. Das ist etwas ganz anderes. Das wird bleiben, das ist eine neue Geschichte des Brut. Wenn wir heute die Idee von Madame Pommery zusammenfassen müssten, wäre es sicherlich ein Blanc de Blancs. Blanc de Blancs ist alles, was man heute haben will. Es ist der beliebteste Stil – die Nummer eins. Deshalb ist unsere Jubiläumscuvée – die Cuvée 150 – als Hommage auch ein Blanc de Blancs.
Die Verbindung von Champagner und Kunst hat im Hause Pommery eine lange Tradition. Schon Madame Pommery hat das örtliche Museum beschenkt, und auch Sie haben eine Vorliebe für Kunst und setzen diese Tradition fort. Was macht diese Kombination – Kunst und Champagner – für Sie so besonders?
Nathalie Vranken:
Wenn man sich auf Kunst einlässt, kann es sich um Ausstellungen, Musik, Oper, Tanz usw. handeln. Wenn man seinen Geist für eine neue Art des Schaffens öffnet, öffnet man seinen Geist für das, was die Menschen morgen wollen. Das ist eine Verbindung – zur Kunst von morgen. Wenn man mit Menschen emotional arbeitet, muss man sich mit der Zukunft verbinden, dem Ziel der Kunst. Champagner ist eine Emotion!
Bei einer Ausstellung habe ich einmal versucht, die Gefühle, die die Bilder auslösen, mit Weinstilen in Verbindung zu bringen? Sehen Sie zum Beispiel einen Blanc de Blancs, der zu einem bestimmten Kunstwerk passt?
Nathalie Vranken:
Ich denke, dieses Etikett (Anmerkung: Emblem von Champagne Pommery) ist das Ergebnis der Verbindung von Vergangenheit und Zukunft, dieses Etikett ist auf allen Flaschen seit dem Beginn vor 150 Jahren. Aber die Art und Weise, wie man das Etikett auf der Vorderseite gestaltet, ist das Ergebnis dessen, was wir in der Kunst sehen. Ich bin mir sicher, dass es da einen Zusammenhang gibt. Denn es ist keine normale Flasche Champagner, es ist sehr neu, ein bisschen traditionell, aber für mich wirklich etwas Neues. Ich glaube, es gibt einen Einfluss der Kunst, wenn man sich das Etikett ansieht. Es ist so persönlich, wenn man ein Kunstwerk betrachtet.
Ein Beispiel: in der Geschenkverpackung des Cuvée 150 Brut ist ein neues Porträt gedruckt. Ein Kunstwerk von Mathilde de l’Écotais, Fotografin, die das berühmte Porträt von Madame Pommery neu bearbeitet hat. Ich wollte, dass das Porträt von Madame, bearbeitet mit einer neuen Fototechnik, ein neues Bild von Madame Pommery ergibt. Das Ergebnis ist gelungen.
Was ist die Geschichte des ikonischen Flaschenetiketts, das modern und historisch zugleich wirkt?
Nathalie Vranken:
Das Label war das Emblem von Madame Pommery und wird seit der ersten Flasche verwendet. Wenn man den Katalog durchsieht, findet man es auf allen Champagnerflaschen von Pommery. Es ist somit zur Signatur aller Weine geworden. Allerdings ist es für unseren Champagner Apanage 1874 Brut leicht verändert, noch wertiger und prägnanter im Ausdruck.
Seit 2021 ist Vranken-Pommery-Monopole eine Société à Mission, d. h. es findet eine Umstellung auf Nachhaltigkeit statt. Wie sind die Fortschritte? Ist die Bio-Zertifizierung ein Thema für Sie?
Nathalie Vranken:
Wir können in der Champagne nicht vollständig biologisch anbauen, dafür ist das Wetter nicht perfekt genug – es ist zu gefährlich. Aber wir haben den höchsten Anspruch an Nachhaltigkeit in allen Bereichen, die möglich sind. In den Weinbergen setzen wir z. B. auf Viticulture Durable en Champagne (VDC), arbeiten dort an kräuter-basierenden Prozessen, aber wir werden nie vollständig biologisch sein können. Wir haben es versucht und wir haben einiges verloren – denn ein Kilo Trauben in der Champagne ist zu teuer, um es einfach zu verlieren. Es stimmt, wir müssen dem Weinberg helfen, zu wachsen – mit allen Schutz- und Erhaltungsmaßnahmen, die wir ergreifen können. Für mich ist Bio kein Thema, es ist Normalität. Wenn man Weinberge, Land und Erde besitzt, geht es nur darum, sie der nächsten Generation in einem besseren Zustand zu übergeben, als wir sie hatten. Für mich steht außer Frage, dass man der Perfektion so nahe wie möglich kommen muss (auch wenn es sie nicht gibt), aber man muss es versuchen.
Wird die Kategorie Brut Nature (Zero Dosage) in der Champagne eine große Rolle spielen? In Deutschland wird dieser Stil immer mehr bevorzugt.
Nathalie Vranken:
Okay – Beispiel: wenn du ein Baby bist, trinkst du nie Zitronensaft und wenn du doch einen Zitronensaft trinkst, denkst du, dass er schlecht schmeckt. Wenn du älter bist und Zitronensaft trinkst, sind auch nicht alle von uns glücklich, ihn zu trinken. Manche mögen ihn, andere wiederum nicht. Wenn man die Dosage ganz reduzieren will, muss man ihm (Anmerkung: dem Champagner) viel Zeit geben. Man sollte ihn länger reifen lassen, anders assemblieren, länger lagern. Dann gibt es auch einen wirtschaftlichen Aspekt. Aber das ist der Weg zu Zero Dosage. Dennoch muss der Champagner dann nicht jedem gefallen.
Der Erfolg der Champagne ist die Cuvée und die Dosage! Der darin enthaltene Zucker verhilft der Assemblage zur Perfektion. Ich verstehe, dass einige es ohne Zucker mögen, aber wir sind nicht gleich. Es ist wie mit dem Zitronensaft, warum sollte ich etwas herstellen, was viele nicht mögen? Der Geschmack ist einfach sehr persönlich.
Aber ja, unser Premium Cuvée Louise 2006 Brut Nature ist perfekt als Zero Dosage. Eine Prestige Cuvée, 18 Jahre alt, sorgsamer Ausbau im Keller, Assemblage von drei Grand Cru-Lagen: Avize, Aÿ und Cramant, nur die besten Trauben ausgewählt. Noch einmal, nach 18 Jahren, erhält man etwas Fantastisches. Aber das ist nicht die übliche Erwartungshaltung von Konsumenten für eine Feier mit Champagner, hier möchte man etwas Unkompliziertes. Dieser Champagner ist etwas Besonderes!
Nochmals, für mich ist die Definition von Champagner das Zusammenspiel von Cuvée und der abgestimmten Zugabe des Liqueur d’Expédition, wobei man den Zuckergehalt nach Bedarf variieren kann. Fakt ist allerdings, wir sind heute trotz Klimaerwärmung noch nicht in der Lage, ausgezeichnete Champagner dauerhaft ohne Dosage herzustellen.
Nathalie Vranken, vielen Dank für das Gespräch!
(Anmerkung: Das Interview wurde im Rahmen der 150-jährigen Jubilläums durchgeführt.)
Verkostet wurden und neu auf dem Markt folgende Champagner des Maison Pommery:
- Cuvée 150 Extra Brut (100 % Chardonnay) ist ein auf 10.000 Flaschen limitierter Champagner. Ein Blanc de Blancs Champagner mit einer Dosage von 5 g/l und einer Reifezeit von 6 Jahren. Er wird als eine Reminiszenz an den ersten Brut-Champagner gesehen. Denn das Traubengut stammt aus den zehn Dörfern auf vier Terroirs, die die Geschichte von Pommery geprägt hatten.*
“Feinste Perlage, vielschichtiges Bukett von Kräutern (Lindenblüten, Melisse), Zitrus (Ingwer, Mayer Lemon) und Reife-/Hefenoten (Brioche, gerösteten Nüssen, Salzmandeln). Komplexer, tiefgründiger, eleganter Champagner mit durchgängiger Spannung am Gaumen.”
- Brut Apanage 1874 Cuvée aus den Rebsorten Pinot Noir, Chardonnay, Meunier. Die Reserveweine sind aus den hervorragenden Jahrgängen 2018,2015 und 2012. Mit dieser Cuvée bietet das Haus Champagnerliebhabern eine neue Qualität und eine Sinneserfahrung, die ihresgleichen sucht und transformiert den historischen Brut ins 21. Jahrhundert.*
“Feingliedriges Bukett von weißen Blüten, Jasmin, Verbene, Zitrusfrucht sowie Honigwabe. Der Gaumen mit elegantem Schmelz, Butterhörnchen, Johannisbeere und erfrischenden, samtigen Mousseux. Vollmundiger, samtiger Champagner.”
- Cuvée Louise 2006 Brut Nature – ein Prestige Cuvée von Chardonnay und Pinot Noir. Die Trauben wurden 2006 ausschließlich auf den Hängen, der drei klassifizierten Grand Crus Avize, Aÿ und Cramant geerntet. *
“Gereifte, intensive Aromatik von Marillenmarmelade, kandierten gelben Früchten, Marzipan, geröstete Haselnüsse. Der Gaumen mit Amarenakirsche, Walderdbeeren und einem langen, animierenden Nachhall mit einem Hauch von Bitterschokolade. Spannungsgeladene Eleganz und Reife!
Credits:
Das Interview wurde im Rahmen der 150-jährigen Jubilläums durchgeführte. Der Artikel wurde weder in Auftrag gegeben, noch vergütet und spiegelt alleine meine Meinung wider. Weiterführende Links haben keinen kommerziellen Nutzen für Das Schaumweinmagazin, dienen alleine der Wissensvermittlung.
Fotos: Nicole Wolbers