Marketingstratege trifft auf Hefeflüsterer

11. April 2019 | Deutsch, Weingüter M-Q

Reichsrat von Buhl – über dieses Weingut wurde schon sehr, sehr viel geschrieben.

Das Weingut mit Sitz in Deidesheim (Pfalz) hat bewegte und sehr ereignisreiche Jahrzehnte hinter sich. Was macht das Weingut heute so besonders?

WeingutReichsratvonBuhl
Weingut Reichsrat von Buhl in Deidesheim, Pfalz

Richard Grosche – der Marketingstratege

Heute führt Richard Grosche, ein unverkennbares Mannheimer Original, die Geschicke des Weinguts. Er ist in der Weinbranche Deutschlands kein Unbekannter. Als Chefredakteur und Chefverkoster im Meininger Verlag und Leiter der internationalen Weinakademie Mundus Vini beobachtete er über Jahre hinweg die Entwicklung des Weinguts Reichsrat von Buhl. „Nun darf ich all das ändern, was ich früher bemängelt habe.“

Als die Aufgabe der Leitung an Grosche herangetragen wurde, war es für ihn eine spannende Herausforderung, das Weingut in die Zukunft zu führen. „Tradition und Historie verpflichten, aber Dynamik und Modernität sollen das Weingut wieder in die erste Riege der deutschen Weingüter bringen.“ Von den Rebflächen her, so Grosche, hat Reichsrat von Buhl eine absolute Ausnahmestellung. „Mit diesem Lagenportfolio ist alles möglich!“

Richard Grosche erklärt die Lagenkarte des Weingutes in der Vinothek

Während unseres Interviews sprüht Richard Grosche nur so vor Energie, und die Freude an der Arbeit im Weingut ist ihm schnell anzumerken.

Dieser Mann könnte auch Spargel als Premiumprodukt zum Erfolg führen. Laut Grosche ist ein befreundeter Spargelbauer noch nie auf die Idee gekommen, die Qualitäten und Eigenschaften des Spargels besser zu vermarkten. Denn, nur das weiß wohl kaum einer, auch beim Spargel gibt es verschiedene Sorten und das Terroir spielt eine große Rolle: Flussbettspargel der Sorte Schwetzinger Meisterschuß. Er würde es sofort hervorheben. Ich merke, was für ein Ideenpotential da schlummert. 

Geradeaus bemerkt er in seiner Pfälzer Art, dass er komplett freie Hand bei der Gestaltung seiner Aufgabe habe, „so lange er die Sollzahlen des von ihm entwickelten Plans erfüllt. Aber natürlich sind die Erwartungen sehr hoch.“

Neue Philosophie

Grosche verantwortet nun das Marketing sowie den Internetauftritt des Weinguts. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit wurden das komplette Layout und Design überarbeitet, denn bei seinem Start gab es um die 150 verschiedene Etiketten sowie 8 unterschiedliche Schriftarten. Das Etikett wurde wieder auf den Ursprung zurückgeführt – das Wappen von Buhls. Nun prangt es deutlich sichtbar auf jeder Flasche, unterstrichen durch eine moderne Farbgestaltung.

Geschickt übernahm Richard Grosche als Vorlage das erste Künstleretikett, welches der Jugendstilmaler und Grafiker Franz von Stuck im Jahre 1887 für das Weingut von Buhl entworfen hatte.  

Neue Stilistik des Etiketts „Sekt Reserve Brut“

DieWeine werden nun erst in den Verkauf kommen, wenn sie die perfekte Reife haben. Bei den Sekten beträgt dies mittlerweile mind. 18 Monate

Der 2013er Prestigesekt von der Grossen Lage „Pechstein“ liegt schon seit 5 Jahren auf der Hefe und soll aber mindestens 5 weitere Jahre reifen. Dies bindet reichlich Kapital, und die Bepreisung der Weine muss bei Markteinführung stimmen. Beim Verkauf der ersten Pechsteinflaschen im Jahr 2024 oder später liegen somit ungefähr 10 Jahrgänge im Keller. Das ist viel Geld, und beim angestrebten Preis von über 100 Euro (was in Deutschland eine Seltenheit ist) wird der Markt entscheiden, ob alles richtig gemacht worden ist. 

Ein Prestige Riesling Sekt – das ist mutig, aber es kann eine Antwort auf Prestige Champagner sein. Die Voraussetzungen dafür sind hervorragend.

Bone dry ist das neue trocken

Stilistisch hat das Weingut wieder alte Zeiten aufgegriffen und will in der Zukunft als das Weingut wahrgenommen werden, welches „bone dry“ – also säurebetonte, knochentrockene – Weine anbietet. 

Da sich die erlaubten Restzuckermengen bei der Sektdosage für Brut (0-12 g/l) und Extra Brut (0-6 g/l) überschneiden, tragen die Sekte von Buhl „brut“, obwohl sie meistens Extra Brut ausgebaut werden.

Matthieu Kauffmann – der Hefeflüsterer

Richard Grosche wurde kein geringerer als Mathieu Kauffmann zur Seite gestellt.  Kauffmann ist sowohl Geschäftsführer als auch Herr über alle Weine und Sekte des Weinguts. Unterschiedlicher könnten die beiden nicht sein – der eine quirlig und wortreich, der andere mit französischer Contenance und Bedacht. Der gebürtige Elsässer mit seinem wunderbar französisch angehauchten Deutsch war lange Jahre Chef de Cave bei Bollinger, also ein Mann mit viel Erfahrung und Expertise. Und vor allen Dingen mit einer unbekümmerten Sicht auf deutschen Sekt!

VerkostungmitMatthieuKauffmann
Verkostung mit Kellermeister Matthieu Kauffmann

Bemerkenswert ist, dass in der Geschichte von Bollinger zuvor noch nie ein Chef de Cave vor der Rente das Champagnerhaus verlassen hatte! Aber das Angebot war für Kauffmann sehr verlockend, er kennt Deutschland, spricht die Sprache, und als Elsässer ist er mit der Pfälzer Mentalität vertraut. 

Die Aussicht, das bedeutende Weingut wieder zu alter Glorie emporzuheben und dabei Premiumweine aus besten Lagen und besten Trauben sowie Spitzensekte mit Riesling zu erzeugen, war verlockend. 

Mathieu Kauffmann ist ein gefragter Mann, dennoch nimmt er sich die Zeit, geduldig meine vielen Fragen zu beantworten. Viele Winzer sind mittlerweile überzeugt und inspiriert von seiner Art, Wein und Sekt zu produzieren. Gab es anfangs noch große Skepsis, ob die wenig geschwefelten Weine auch nach 6 Monaten noch stabil und schmackhaft sein würden, so ist das Erstaunen umso grösser, wie gut sich z.B. die 2013er Weine mittlerweile entwickelt haben.

Dabei geht er für deutsche Verhältnisse neue Wege und setzt in der Sektproduktion neue Maßstäbe. Er betont, dass neben der Freiheit, in allen Bereichen selbst zu entscheiden, er wieder nahe am „Produkt“ Wein sein wollte. Diese Möglichkeit gab es für ihn in der Champagne nicht. 

Neue Produktionsmethoden

Zu seiner Freude überprüft er nun selbst im Weinberg, ob die Trauben schon zur Lese reif sind, dabei legt er fest, für welchen Weinstil sie sich am Besten eignen. Für ihn fängt der Wein bereits mit der Qualität des Traubengutes an! Während unserer Tour durch den Weinkeller fällt auf, wie penibel sauber der gesamte Keller ist. Ein Drittel aller Gebinde sind aus Edelstahl, der Rest besteht aus Holzfässern verschiedener Größen. Auffällig sind die großen Holzfässer mit 2400l Kapazität. Diese sogenannten Doppelstückfässer waren schon seit langem ein Wunsch von Kauffmann, aber bei Bollinger durfte er sie nicht anschaffen. Aufgrund ihrer Tiefe sind die Fässer optimal für eine große Kontaktfläche mit der Hefe. 

Auch beim Rosé Sekt setzt Kauffmann neue Akzente. Der Spätburgunder Rosé Sekt 2016– ein „echter“ Rosé – ist erst kürzlich auf den Markt gekommen. Der Spätburgunder durfte ca. 3h lang auf der Maische bleiben, so dass er diesen kräftigen, lachsfarbenen Ton erhält. Dieses Verfahren ist in der Champagne unüblich – Rosé Champagner wird eher weiß gekeltert, erhält die Farbe erst zum Zeitpunkt der Assemblage.

Biodynamisch 

Kauffmann lässt der Natur ihren Lauf, da ist es nur konsequent, dass das Weingut seit 2018 biodynamisch zertifiziert ist. So gibt es keine Schönungsmittel und nur minimalen Schwefeleinsatz bei der Weinherstellung. Kauffmann greift lediglich unterstützend ein: penible Sauberkeit bei allen Arbeitsschritten, Moste setzen sich natürlich ab und werden dann in die entsprechenden Gebinde (Holz oder Edelstahl) gelegt, in denen sie gären und auf der Vollhefe lange Zeit lagern können. 

Verwundert stehen wir im Keller vor einer Grabkerze, die unter ausgewählten Fässern steht. Soll sie für Stimmung sorgen? Das Gebinde erwärmen, aber das wäre bei der Größe natürlich unmöglich. Richard Grosche erklärt, wie hier die Philosophie der Biodynamik ansetzt. „Die Kerze erwärmt nur so eine große Fläche (zeigt auf einen kleinen Fleck). Da liegen jetzt aber 200 l Wein drüber, im Prinzip schafft die Kerze es nur, diesen kleinen Bereich hier minimal zu erwärmen. Die Hefe liegt ja auf dem Boden und wird durch diesen punktuellen warmen Spot inspiriert, sich zu vermehren. Das kann eine Woche dauern, zwei Wochen dauern, aber irgendwann fängt der Prozess wieder an und die Hefe wird sich wieder vermehren. Wir könnten jetzt auch hingehen und das ganze Ding erwärmen, aber das wäre für uns ein zu großer Eingriff.“ 

BiodynamischeArbeitimKeller
Biodynamische Vinifizierung im Weingut Reichsrat von Buhl

Hefe 

Es wird spontan angegoren, aber da die Weine sehr trocken ausgebaut werden, würde die Spontanhefe nicht ausreichen, um die Gärung zu Ende zu bringen. Deswegen wird im Laufe der Gärung neutrale, aus der Grossen Lage „Pechstein“ selektierte Hefe dazu gegeben. Während unserer sehr unterhaltsamen Tour durch den Keller erzählt Grosche einen Schwank über die Perfektion und Genauigkeit von Mathieu Kauffmann: „Ich habe vorher noch nie einen Kellermeister getroffen, der bei Beginn der Versektung über 8 bis 10 Tage lang den Hefeansatz mit dem Mikroskop beobachtet und die Dichte auszählt. Wie Matthieu mir versicherte, kann nur korrekte Hefedichte garantieren, dass die Gärung optimal ab- und durchläuft.“ Für Kauffmann ist die Hefe im Vinifizierungsprozeß sehr wichtig, und er beweist ein großes Gespür für den Umgang mit Hefe, was ihm den Titel „Hefeflüsterer“ einbrachte.

Zeit

Daneben erlaubt Mathieu Kauffmann den Weinen und Sekten Zeit! So dürfen sie oft über einen sehr langen Zeitraum auf der Hefe liegen. Die Sekte und Weine bleiben so frisch und stabil, harmonisieren sich und erhalten zusätzlich Körper und feine Aromen von Brot und Hefe. 

Offene Art

Mathieu Kauffmann ist ein gefragter Mann, dennoch nimmt er sich die Zeit, geduldig meine vielen Fragen zu beantworten. Viele Winzer sind mittlerweile überzeugt und inspiriert von seiner Art, Wein und Sekt zu produzieren. Gab es anfangs noch große Skepsis, ob die wenig geschwefelten Weine auch nach 6 Monaten noch stabil und schmackhaft sein würden, so ist das Erstaunen umso grösser, wie gut sich z.B. die 2013er Weine mittlerweile entwickelt haben.

Reichsrat von Buhl – die Sekte

Zur Zeit sind drei Sekte mit 18 monatiger Hefezeit im Verkauf.  

Der Riesling Brut 2016 – teilweise im Holz ausgebaut – zeigt eine knackige und präsente Säure, mit schönem Schmelz und guter Rieslingfrucht. Ein sehr angenehm zu trinkender Sekt ohne die für deutsche Rieslingsekte oft typischen Bitternoten.

Der Spätburgunder Rosé Sekt 2016 ist noch etwas jung, aber er öffnet sich im Glas langsam und präsentiert sich mit zarten Beerennoten, schmelzig und groß am Gaumen. Für einen deutschen Rosé Sekt hat er enorm Körper. Anklänge an Mandeln sind zu finden, und Kauffmann sieht großes Potential im Rosé und rät daher, den Sekt noch ein Jahr zu halten, damit er die feinen Nuancen noch besser entwickeln kann.

Rosé Brut, Riesling Brut, Reserve Brut NV

Die Linien Riesling Brut und Spätburgunder Rosé werden als Jahrgangssekte produziert und spiegeln so die jahrgangsspezifischen Merkmale wider. 

Der Reserve Brut Non-Vintage (sans année) wurde aus 25% Chardonnay und 75% Weissburgunder cuvetiert und ist kein Jahrgangssekt. Die Grundweine stammen aus 3 verschiedenen Jahrgängen (2013-2015).

Kauffmann betont, dass die Idee, Reserveweine wie in der Champagne zu verwenden, in Deutschland weitestgehend unüblich ist.  Der Reserve Brut ohne Jahrgang erlaubt es Kauffmann, einfacher einen Hausstil zu verfolgen, der eine gleichbleibende exzellente Qualität ohne Jahresvariationen anbieten wird. 

Mein Reserve Brut NV im Glas ist kräftiger und schmelziger als der Riesling Sekt. Ein sehr eleganter Sekt, der mich mit seinen leicht nussigen Tönen am meisten an einen Champagnerstil erinnert.

Bereits seit 2014 hat Mathieu Kauffmann eine Art Solera-System aufgebaut, in der verschiedene Jahrgänge und Weinstile (entweder im Holz oder Edelstahl ausgebaut) später zu den besten Cuvées zusammengefügt werden. Die hohe Kunst der Assemblage hat Kauffmann in seiner Zeit bei Bollinger perfektioniert und es dort geschafft, eine jährlich gleichbleibende Qualität für den Non Vintage von Bollinger zu etablieren. 

Richard Grosche betont, dass die Konsumenten noch lernen müssen, dass Reserveweine keine Abfallprodukte sind, sondern in einer Assemblage den Charakter und die Wertigkeit des Sektes enorm steigern können. Das ist Standard in der Champagne. Wie heißt es so schön: ein Cuvée mag ich nicht, aber einen Bordeaux!!

Auf meine Frage hin, ob Mathieu Kauffmann die Herstellung von Stillweinen oder Schaumweinen favorisiere, antwortet er verschmitzt: „Schaumwein ist mein Hobby – nee, das macht beides Spaß, sowohl beim Machen als auch beim Trinken. Wein passt nicht immer, Sekt passt nicht immer, so habe ich immer eine Auswahl.“

Fazit

Es ist schon beachtlich, was die beiden Visionäre da auf die Beine gestellt haben, die Erwartungen sind hoch. Unterschiedlicher könnten sie kaum sein, aber die ping-pong-artige Zusammenarbeit, der Humor und die Kompetenz, die beide mitbringen, fügen sich perfekt zu einem großen Ganzen. 

Eigentlich sind es die beiden selbst, die ihre Ziele immer höher stecken und dadurch in der Lage sind, vieles zu erreichen. Wir können sehr gespannt sein, was in Zukunft noch aus der Sektcity Deidesheim kommen wird.

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