Sekt: Die junge Geschichte des deutschen Schaumweins

10. Juni 2025 | Prickelndes Wissen

Sekt: Die junge Geschichte des deutschen Schaumweins! Wein hat in Deutschland eine lange Tradition. Vor rund 7000 Jahren wurde in Georgien der erste Wein hergestellt, doch erst vor etwa 2000 Jahren brachten die Römer die ersten Weinreben nach Deutschland. Seitdem ist der Weinbau ein fester Bestandteil unserer Kultur. Aber wie kam es eigentlich zum Schaumwein, den wir heute als Sekt kennen?

SEkt: Perlen im Wein – ein Zufall wird zum Genuss

Früher waren Bläschen im Wein eher ein Problem. Weine wurden kaum gefiltert, und es blieben oft Zucker- und Hefepartikel zurück. Im Winter ruhte die Hefe, und Winzer dachten, der Wein sei fertig. Doch im Frühling, wenn es wärmer wurde, fing die Hefe wieder an zu arbeiten, und der Wein gärte weiter. Das führte zu Kohlensäure – und manchmal sogar zu explodierenden Flaschen!

Im 17. Jahrhundert bekamen die Engländer regelmäßig Fassweine aus Frankreich, darunter Weißweine aus der Champagne. Diese füllten sie in Flaschen um. Auch sie erlebten das Phänomen, dass bei steigenden Temperaturen der Wein weiter gärte, und die dünnen Flaschen mit Stoff- oder Wachsverschlüssen dem Druck oft nicht stand hielten. Die Lösung? Stärkere Flaschen aus dickem Glas, genannt verre anglais, und Korken aus Eichenholz. Der englische Wissenschaftler Christopher Merrett entdeckte, dass man durch Zugabe von Zucker und Hefe gezielt Schaumwein herstellen konnte. So entstanden in England die ersten Schaumweine nach der Méthode ancestrale.

Champagne Gemarkung
Gemarkungsstein Champagne

In der Champagne hingegen galt Schaumwein lange als Fehler. Man nannte ihn sogar „Teufelswein“ (Vin du diable). Doch als die Champagner-Winzer merkten, wie beliebt ihr sprudelnder Wein in anderen Ländern war, begannen sie ab 1730, neue Techniken wie das Rütteln und Degorgieren zu entwickeln. Berühmte Kellereien wie Ruinart (1729) und Moët (1743) entstanden, und Champagner wurde weltweit ein Verkaufsschlager.

Sekt-Geschichte: Deutsche Wurzeln in der Champagne

Ende des 18. Jahrhunderts zogen viele deutsche Unternehmer nach Frankreich und mischten im Champagnergeschäft mit. Namen wie Bollinger, Deutz oder Geldermann prägen bis heute die Champagnerwelt. Gleichzeitig brachten Pioniere die Kunst des Schaumweins nach Deutschland. Georg Christian Kessler, der zuvor bei Veuve Clicquot gearbeitet hatte, gründete 1826 in Esslingen die erste deutsche Sektkellerei.

Woher kommt der Name „Sekt“?

Der Begriff „Sekt“ hat eine kuriose Geschichte. 1825 soll der Schauspieler Ludwig Devrient in Berlin nach einer Shakespeare-Aufführung in ein Restaurant gegangen sein und in seiner Rolle als Falstaff gerufen haben: „Bringe er mir Sect, Schurke!“ Er meinte eigentlich Sherry, damals „Sack“ genannt. Der Kellner brachte ihm aber Schaumwein. Der Begriff „Sekt“ setzte sich durch, und ab 1860 sprach man in Deutschland vom „Sekt“ als Synonym für Schaumwein. Seit 1919 durfte der Begriff „Champagner“ nur noch für Weine aus der Champagne verwendet werden, was dem deutschen Sekt einen zusätzlichen Schub gab.

Sekt: Die junge Geschichte des deutschen Schaumweins

Shakespeare Statue in London
Shakespeare Statue in London

Goldene Zeiten für den deutschen Sekt

Im 19. Jahrhundert änderten sich in England die Vorlieben: Man wollte herbe Weine zum Essen. Der eher süßliche Champagner verlor an Beliebtheit, während der herbere deutsche Sekt punkten konnte. Besonders am englischen Hof wurde Sekt aus Deutschland modern. Wein aus Hochheim im Rheingau wurde als „Hock“ bekannt, und der Sekt von Rhein und Mosel als „Sparkling Hock“.

Die Nachfrage nach Sekt wuchs auch in Deutschland. Ab 1830 entstanden zahlreiche Sektkellereien, selbst in Regionen wie Köln oder Niedersachsen, die nicht für Weinbau bekannt waren. Die Zentren der Sektproduktion lagen jedoch entlang von Rhein und Mosel, in Städten wie Mainz, Wiesbaden, Trier und Koblenz. Viele der damals gegründeten Kellereien, wie Matheus Müller (1838), Deinhard (1843), Kupferberg (1850) oder Rotkäppchen (1856), gibt es heute noch. Der Erfolg des deutschen Sekts wurde 1867 auf der Weltausstellung in Paris gekrönt, als der Sekt „Rheingold“ von Söhnlein die Goldmedaille gewann.

Neue Techniken revolutionieren die Produktion

Im 19. und frühen 20. Jahrhundert gab es große Fortschritte in der Sektherstellung. In Geisenheim (1894) und Epernay (1895) wurden Reinzuchthefen entwickelt, die eine kontrollierte Gärung ermöglichten. In Frankreich experimentierte man mit großen, druckfesten Behältern für die Gärung. 1888 nutzte die Deutsche Schaumweinfabrik in Wachenheim solche Behälter. Später kam die Filtertechnik hinzu, mit der man Wein schnell von Hefe befreien konnte.

Edelstahltank Tankgärverfahren - Sekt: Die junge Geschichte des deutschen Schaumweins
Drucktanks in Kellerei aus Edelstahl

Die größte Neuerung war das Charmat- oder Tankgärverfahren, entwickelt von Federico Martinotti Ende des 19. Jahrhunderts und später von Eugene Charmat perfektioniert. Dabei gärt der Sekt in großen Drucktanks, was die Produktion günstiger und schneller machte. Schon 1930 wurden in Frankreich Millionen Flaschen mit diesem Verfahren hergestellt. Sekt wurde so vom Luxusgetränk zum Alltagsprodukt.

Sekt-Geschichte: Nach dem Krieg gilt Quantität statt Qualität

Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte die Sektbranche einen Einbruch. Die hohe Sektsteuer, ursprünglich von Kaiser Wilhelm II. eingeführt, wurde gesenkt, und das Tankgärverfahren machte die Produktion günstiger. Doch das ging oft auf Kosten der Qualität sowie des Image.



Die Schaumweinindustrie spaltete sich und beschritt verschiedene Wege. In Deutschland wandten sich viele Sektkellerein oder –güter von der „klassischen Flaschengärung“ – bis dato das einzige Herstellungsverfahren! – ab und führten das Tankgärverfahren ein. Viele Kellereien setzten lieber auf große Mengen und einfache Herstellung. So wurde Sekt immer mehr als billiges Getränk wahrgenommen. Dies führte dazu, dass der traditionell hergestellter Sekt (preislich wesentlich teuerer) stark um seine Marktanteile zu kämpfen hatte.

Auch heute noch werden über neunzig Prozent des gesamten Sektes (zum großen Teil mit importiertem Grundweinen) von einigen wenigen großen Sektkellereien günstig nach der Tankmethode produziert. Interessant zu erwähnen, dass die Champagne damals beschloss, bei der traditionellen Flaschengärung zu bleiben und die Tankgärmethode wurde für die Champagnerherstellung verboten.

FAmilie-Raumland-raumland_ruether_schwarz_352-2
Familie Raumland ©oliver_ruether

Trendwende in der Geschichte: Qualitätssprung im deutschen Sekt

Seit den 1970er Jahren gab es jedoch eine Trendwende. Pioniere wie das Sekthaus Raumland in Rheinhessen stellten die quantitative Sektherstellung infrage. Sie wollten Sekt, der Terroir und Qualität widerspiegelt – kein Billigprodukt, sondern ein Genussmittel. Weingüter wie Schloss Vaux, Solter, Bardong oder Wilhelmshof folgten diesem Ansatz. In der Pfalz das Wein- und Sektgut Wilhelmshof und im Süden praktizierte dies u.a. die Privat-Kellerei Reinecker.

Langsam, aber stetig verschafft sich das neue Qualitätsbewusstsein in puncto Sekt Gehör. Seit dem Jahr 2000 widmen sich bekannte Weingüter wie Van Volxem diesem Thema und wollen dem Saarsekt zu neuem Glanz verhelfen. Auch in der Pfalz regt sich viel Neues. So schaffte es das Weingut Reichsrat von Buhl mit dem Engagement von Kellermeister Mathieu Kauffmann, ein bisschen Champagne und viel Know-how nach Deidesheim zu bringen. Dies tat der Sektbranche gut, denn es beflügelte auch viele junge Sekthäuser, durchzustarten – hier seien das Sekthaus Griesel oder das Sekthaus Krack genannt. Mittlerweile wird der neue deutsche Sekt auch auf inter- und nationalen Weinwettbewerben gelobt und mit Medaillen ausgezeichnet.

Heute setzen viele Winzer auf:

  • Sorgfältig ausgewählte Weinberge
  • Biologischen oder biodynamischen Anbau
  • Präzise Lese für optimale Sekttrauben
  • Spontangärung und schonende Verarbeitung
  • Traditionelle Flaschengärung
  • Längere Hefereifung (oft länger als die vorgeschriebenen neun Monate)
  • Weniger oder keine Dosage (Zuckerzusatz)
  • Rebsorten wie Riesling, Spätburgunder, Weißburgunder oder Chardonnay

Der deutsche Sekt zeigt wieder Charakter und Vielfalt. Der 2019 gegründete Verband der Traditionellen Sektmacher setzt sich genau dafür ein. Auf internationalen Wettbewerben wird deutscher Sekt mittlerweile gefeiert und mit Medaillen ausgezeichnet.

Nicole Wolbers Schaumweinmagazin bei der Sektbörse Mainz

Sekt uns seine Geschichte
Nicole Wolbers – schaumweinmagazin – Sektbörse Mainz

Fazit: Sekt Geschichte mit Seele

Die Geschichte des deutschen Sekts ist eng verknüpft mit Zufall, Innovation und Leidenschaft. Von den Anfängen als „Teufelswein“ bis hin zum wieder sehr geschätzten, hochwertigen Genussgetränk hat der Sekt eine spannende Reise hinter sich. Er kann wieder für Qualität, Vielfalt und Besonderheiten der deutschen Weinregionen und ihren Sektmachern stehen. Entdeckt die Welt des Sekts – vielleicht auf einer #SekttourDeutschland!


Dieser Artikel wurde weder in Auftrag gegeben noch vergütet und spiegelt alleine die Meinung wider. Weiterführende Links dienen der Wissensvermittlung.

Fotos: Nicole Wolbers / Familie Raumland ©oliver_ruether


Über Nicole Wolbers

An der Mosel aufgewachsen, war Wein immer schon ein Wegbegleiter. In Santa Barbara, Kalifornien war Training on the Job im renommierteten “Wine Cask” meine Bewährungsprobe. LERNEN, LERNEN, LERNEN! In Napa & London habe ich meine Ausbildung zum Diploma Wine and Spirits (DipWSET) absolviert. Meine Abschlussarbeit „Champagne“ erhielt vom Champagne Bureau London eine Auszeichnung. Das Schaumweinmagazin ist mein Herzstück: Egal ob Schreiben, Tastings, Events oder Schaumweinauswahl – bei mir treffen Sie auf Know-how und prickelnde Leidenschaft!

schaumweinmagazin_nicoleWolbers_verkosten

Diese Beiträge könnten dir auch gefallen:

Elaborador Integral: neues Qualitätssiegel Cava DO

Elaborador Integral: neues Qualitätssiegel Cava DO

Elaborador Integral: neues Qualitätssiegel Cava DO! Die Bezeichnung Elaborador Integral ist ein neues Label innerhalb der DO Cava. Mittlerweile dürfen 15 Cava-Produzenten das besondere Siegel verwenden. Aber was steckt dahinter, worin unterscheidet es sich...

Sektmacher: Tradition Trifft innovation

Sektmacher: Tradition Trifft innovation

Sektmacher: Tradition Trifft Innovation: Einmal im Jahr lädt der Verband der Traditionellen Sektmacher zu einem Stelldichein der Sektelite nach Mainz ein. Anlass für mich, Ihnen die Sektmacher wieder einmal vorzustellen. Ein langer Weg, der vielversprechend in die...