Regionale Botschafter – Obstschaumweine. Schon lange bevor Wein aus Trauben hergestellt wurde, erzeugten die Menschen Obst- und Fruchtweine. Mittlerweile in Deutschland ein ernst zu nehmendes Weinangebot mit neuen intensiven Geschmackserlebnis – Prickler einmal anders!
In Europa, allen voran in Skandinavien und in Frankreich, sind fruchtige (Schaum)weine ein bekanntes Traditionsprodukt. Während im hohen Norden sehr gerne Fruchtweine aus regionalen Beeren produziert werden, bevorzugen unsere französischen Nachbarn neben Apfel auch Birne, liebevoll La Poiré genannt. Weitere interessante Erzeuger finden sich in Österreich und Südtirol, beide mit einem traditionellen Obstanbau. Doch wie sieht es bei uns in Deutschland aus? Sind diese Schäumer eine Alternative zum klassischen traditionellen Sekt?
Obstschaumweine – eine lange Tradition
In der Tat werden Obst(schaum)weine schon lange vor den Traubenweinen hergestellt. So ist in Mitschriften aus dem 4. Jahrhundert vor Christus bereits von vergorenem Apfelsaft die Rede. Letztendlich brachten die Römer neben dem Trauben- die Tradition des Apfelweines nach Europa, die sich später in alle Teile des Kontinentes verbreitete. So hat sich im Laufe der Zeit die Normandie als starkes Zentrum für die traditionelle Herstellung von Cidre entwickelt. Bei uns ist das hessische Gebiet rund um Frankfurt, eine Region, die mit Apfelwein (wie Äppelwoi) sofort in Verbindung gebracht wird.

Dennoch muss auf ganz Deutschland geschaut werden, nämlich überall dort, wo Äpfel geerntet und Obstschaumweine hergestellt werden. Meist sind es kleine Manufakturen, Obsthöfe oder Keltereien, die aus dem flüssigen Obst hervorragendes produzieren. Gerade in den letzten Jahren findet man viele neue Anbieter in diesem Bereich. Dennoch, auch wenn gerade viel über Apfel und Co. gesprochen wird, bleibt es ein Nischenprodukt, in kleinen Mengen produziert und mit einer starken regionalen Vermarktung. Ganz klar haben Äpfel beim Wein die Nase vorn, gefolgt von Birnen und Quitten, da vor allem letztere eine vorsichtige Handhabung bei der Versektung verlangt. Doch was ist eigentlich ein Apfel- oder Birnenschaumwein?
Ist Cidre gleich Apfelschaumwein?
Werfen wir aber vorab einen Blick auf den Ursprung des Namen Cider! Während die Hebräer den damals säuerlichen Apfelwein Shekhar nannten, bezeichneten die Griechen das starke Getränk als Sikera. Die Römer veränderten den Begriff zu Sizra und im historischen Frankreich war die Rede von Cisdre. Die Vermutung liegt nahe, dass sich hieraus der heute gebräuchliche Name Cidre (Cider) entwickelte.
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Zurück zur Frage, ob Cider das gleiche, wie Apfelschaumwein ist. Die Ergebnisse meiner Recherche sind eher verwirrend. Während in Großbritannien Cider normalerweise ein Getränk mit Alkohol ist, wird in den Vereinigten Staaten ein alkoholfreies eingeschenkt. Möchten Sie nicht auf Alkohol verzichten, sollten Sie dort einen Hard Cider bestellen. In Deutschland findet man unter dem Begriff Cidre teilvergorene Apfelweine, die als Perlwein oder Apfel-Cider moussierend (Alkohol bis 4,5 % Volumen) bezeichnet werden. Während Apfelschaumweine ganz oder teilweise vergoren sein können, weisen sie einen höheren Druck sowie Alkohol auf (über 5% Volumen). Aber Achtung, als Cider werden nur Getränke aus Äpfel bezeichnet. Bei den Birnen gibt es im angelsächsischen Raum den Begriff Perry, dieser wird in Deutschland seltener verwendet und darf auch nur als Zusatz zum Begriff Birnenwein oder -schaumwein stehen. Übrigens, wurden in Wales sowohl für Perry als auch für Cidre die Geschützte Geografischen Angabe eingeführt, ähnlich dem Schutz von Champagner.

Obstschaumweine – vage Begriffsregelung
Da es leider keine klare Regelung für den Begriff gibt, halte ich mich für diesen Artikel an die gebräuchliche deutsche Definition von Apfel- bzw. Birnenschaumwein. Also einem durch vergorenen Apfel- oder Birnensaft hergestellten Prickler, der durch Karbonisierung oder Fermentation (in verschlossenen Behältern) mit Kohlensäure angereichert wird. Aber Achtung, der Begriff Apfel- oder Obstsekt ist nicht erlaubt, da Qualitätsschaumwein nur aus Trauben hergestellt werden darf! Laut dem Leitsatz für weinähnliche und schaumweinähnliche Getränke1 muss ein Apfel- oder Birnenschaumwein:
- mindestens 5 % Alkohol aufweisen
- einen Überdruck an Kohlensäure von mindestens 3 bar in der Flasche haben
- und darf in einer 750 ml Flasche keine Sektkapsel tragen. In dieser Menge dürfen die Weine nur mit Korken, Sicherung durch Schnur, Draht oder Bügel in den Verkauf gebracht werden. Ist die Menge kleiner als 200 ml, darf auch ein Schraubverschluss oder Kronkorken verwendet werden.
Einblicke in die Herstellung
Prickelnde Obstweine können mit verschiedenen Verfahren hergestellt werden. Dabei erzeugen die traditionellen Methoden wie die klassische Traditionellen Flaschengärung oder die Methode Ancestrale (in einer Gärung) sehr spannende Schäumer. Wir alle wissen, Ausnahmen bestätigen die Regel, denn sehr oft bringen Top-Perlweine wunderbare Frische und Fruchtigkeit ins Glas, wobei wie so häufig, die Qualität beim Grundprodukt anfängt, also bei der Auswahl des Apfels und der Birne. Bei perfekter Reife werden die Früchte vom Baum geschüttelt, aufgesammelt – bei kleineren Bäumen oder speziellen Sorten teilweise von Hand gepflückt und unversehrt zum Keller transportiert.
Dort angekommen, wird gewaschen, gemahlen und gepresst, um den reinen Saft zu gewinnen. Zu diesem Zeitpunkt kann der Kellermeister entscheiden, ob und wie lange der Schalenkontakt (auf der Maische) sein soll. Ob spontan vergoren wird, d. h. mithilfe der am Obst und Keller vorhandenen Umgebungshefe oder aber mit Zugabe von Hefen (z. B. Cidre-, Champagnerhefe) entscheidet alleine der Chef de Cave. Die erste Gärung kann je nach Temperatur zwischen einer Woche und über einem Monat dauern entweder im Tank, großen Holzfässer aber manchmal auch in Barrique. Um die Fruchtaromatik zu bewahren, wird bevorzugt bei niedrigen Temperaturen vergoren. Ein entscheidender Moment, der bestimmt, wie viel Gerbstoffe von Schale, Kern und Stiel in den späteren Obstschaumwein kommen wird.

Klassische traditionelle Flaschengärung
Wie beim Winzersekt wird für die zweite Gärung in der Flasche der Wein vom Sediment wie Trub oder Hefepartikel abgezogen, in Standardflaschen von 750 ml gefüllt und mit einem Kronenkorken verschlossen. Zum Start der Fermentierung verwenden einige Hersteller z. B. die feine Champagnerhefe, andere Kellermeister bringen mit frischem Apfelmost und Zucker als Versanddosage (Tirage) die zweite Gärung in Gang. Ist die gewünschte Perlage, Süße und Hefearomatik erreicht, wird der Wein nach dem Rütteln von Hand degorgiert, d.h. von der Hefe befreit. Es kann dann – muss aber nicht – je nach Geschmacksprofil eine Dosage (Zugabe von Zucker und/oder Saft) stattfinden. Hiermit wird die finale Süße des fertigen Schäumers eingestellt. Die Klassifizierung folgt der, der Winzersekte und man übernimmt Bezeichnungen wie Brut und Brut Nature.
Method Ancestrale
Wählt der Kellermeister die Method Ancestrale, wird der noch fermentierende Grundwein inklusive arbeitender Hefe und vorhandenem Zucker auf die Flasche gezogen und verschlossen. Der Schaumwein gärt einfach weiter und produziert so das gewünschte Kohlendioxid. Im Gegensatz zur traditionellen klassischen Flaschengärung findet in der Tat nur einer Gärung statt. Auch hier kann, wenn degorgiert wird, eine Dosage angewendet werden.
Zusatz von Kohlensäure
Es gibt zwei Verfahren, um einen perlenden Obstschäumer herzustellen:
- Herstellung aus erster Gärung
Bei manchen „Obst-Seccos“ wird die Kohlensäure, die während der ersten Gärung entstanden ist, in einem Drucktank „eingefangen“. Später wird der Wein mit weineigener (endogener) Kohlensäure „verperlt“.
- Das gängige Herstellungsverfahren ist aber das Imprägnier– bzw. das Karbonisierungverfahren
Bei diesem Verfahren wird exogener (also von aussen kommender) Kohlensäure zugesetzt. Übrigens wendet man dieses Verfahren auch für die Herstellung von alkholfreien, perlenden Getränken an. Die Etiketten tragen die Bezeichnung „mit zugesetzter Kohlensäure“.

Streuobstwiesen Wiederentdeckt
Moderne, fruchtbetonte und süße Tafeläpfel eignen sich für die Weinherstellung weniger gut. Ihnen fehlt es schlicht an der notwendigen Tanninstruktur und Säure. Hier punkten vor allen Dingen alte historische, alte Rebsorten, die in ihrer Art knackig, intensiv und herb sind. Bevorzugte Apfelsorten sind zum Beispiel die Champagner Renette, Odenwälder Kurzstiel, Boskoop, Rubinette während bei den Birnen Champagner Bratbirne, Plant de Blanc oder Grüne Jagdbirne bevorzugt verarbeitet werden. Aufgrund der hohen Säure, und Gerbstoffen eignen sich diese Sorten nicht immer zum sofortigen Verzehr nach der Ernte – im Gegensatz zum Tafelobst, welches in der Lebensmittelabteilung angeboten wird. Das Mostobst wird deshalb bevorzugt zur Herstellung von Most, Obstweinen und Saft verwendet.
Beide Obstsorten können hervorragende Qualitäten ins Glas bringen, dennoch gibt es einen wichtigen Unterschied in der Handhabung: Während die Apfelsorten oft gut lagerfähig und auch ihre Struktur sowie Säure gut halten, muss bei den Mostbirnen beim Klauben (Ernte) neben der Konsistenz vor allen Dingen auf den Tannin – sowie Säuregehal geachtet werden, der bei Überreife verloren geht. Ein positiver Aspekt der steigenden Nachfrage und Bewusstsein für alte Obstsorten ist, dass vernachlässigten Streuobstwiesen wieder neues Leben eingehaucht wird. Es gewinnen seltene, alte Obstsorten zunehmend an Bedeutung, sodass die Sortenvielfalt und ihr Bestand gesichert wird.
Prickelnde Vielfalt in Deutschland
Über die 13 Weinanbaugebiete hinaus findet man in ganz Deutschland viele interessante Obsthöfe, Keltereien oder Weinbaubetriebe, die sowohl Obstwein als auch Schaum- oder Perlweine anbieten. Seien Sie gespannt! Im nächsten Beitrag stelle ich Ihnen einige Apfel-Prickler vor.
Richtig verkosten
Wie verkostet man den obstigen Trend im Glas? Unser Gaumen ist meist an Traubenweine gewöhnt, deshalb sollten wir beim Verkosten von Obstweinen offen für neue Eindrücke sein. Neben den bekannten Aromen der Trauben werden sich weitere, sortentypische Nuancen von Apfel und Co. zeigen. Diese gilt es zu entdecken. Auf keinen Fall sollten Most- oder Gärungsaromen im Vordergrund stehen. Versuchen Sie beim Geschmack zuerst die Basisausrichtung herauszufinden, also schmeckt der Wein eher süß, sauer, bitter oder astringent (gerbstoffhaltig). Nutzen Sie ihre Sinne und achten bewusst darauf, ob sich florale, fruchtige, vegetative, würzige oder geröstete Aromen an der Nase zeigen! Hier hilft ein wenig Übung.

Besuchen Sie doch einfach mal ein nahegelegenes Obstgut und beißen herzhaft in die alten, knackigen Sorten hinein. Mich persönlich hat erstaunt, welches enorme Reifepotential in manchen Obschaumweinen traditioneller Machart schlummert. So treten wie beim länger gelagerten Winzersekt immer stärker Aromen von Reife und Hefe in den Vordergrund während die Fruchtigkeit sich mehr und mehr zurück nimmt. Die Komplexität, leichte Herbheit und Tiefe machen die Obstschäumer zu sehr guten Essensbegleitern. Im Großen und Ganzen sollten Sie die Schäumer innerhalb ein bis zwei Jahre nach dem Kauf verkosten, um in den vollen Genuss der Frische, Frucht und Perlage zu kommen. Denn auch hier gilt, die Weine kommen trinkfertig auf den Markt. Das Lagern haben die Produzenten für Sie übernommen, um den optimalen Trinkzeitpunkt zu bieten.
Empfehlenswert – Obst in prickelndem Format
Kreativität und Begeisterung bei der Herstellung von Obstschaumwein sorgt für zahlreiche Facetten: mal wird der Wein im Holz ausgebaut, lange gereift, gerne auch etwas oxidativ oder puristisch im Stil, manchmal reinsortig oder als Cuvée im Einklang mit anderen Obstsorten. Erwähnenswert ist, dass generell der Alkohol (unter 10 Prozent Alkohol) unter dem der Traubenversion (12,5 Prozent Alkohol) liegt. Gerade im Hinblick auf die Vielseitigkeit sind diese Weine sehr als Essensbegleitung sowie Aperitif empfehlenswert.
Ich kann Ihnen nur ans Herz legen, gut gemachte Obstprickler zu probieren, die so so gar nichts mit dem sonst eher rustikalen Getränk zu tun haben. Sie werden überrascht sein, welche neuen Geschmackserlebnisse diese Schaumweinart Ihnen bieten wird. Lassen Sie sich gerne darauf ein! Obstschaumweine sind in der Tat eine interessante Alternative im Bereich Klassischer traditioneller Flaschengärer.
CREDITS:
Dieser Text wurde nicht in Auftrag gegeben oder vergütet, sondern spiegelt alleine meine Meinung wider! Außerdem erhebt er keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Weiterführende Links dienen alleine der weiteren Information. Sternchen* kennzeichnen Verkostungsmuster, die zur Verfügung gestellt wurden.
Fotos: Canva Pro – Nicole Wolbers
Quellen:
- Leitsatz für weinähnliche und schaumweinähnliche Getränke, 26.02.2015, Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ernaehrung/Lebensmittel-Kennzeichnung/LeitsaetzeWeinaehnlicheGetraenke.html (Stand:25.10.2022)
Über Nicole Wolbers
An der Mosel aufgewachsen, war Wein immer schon ein Wegbegleiter. In Santa Barbara, Kalifornien war Training on the Job im renommierteten “Wine Cask” meine Bewährungsprobe. LERNEN, LERNEN, LERNEN! In Napa & London habe ich meine Ausbildung zum Diploma Wine and Spirits (DipWSET) absolviert. Meine Abschlussarbeit „Champagne“ erhielt vom Champagne Bureau London eine Auszeichnung. Das Schaumweinmagazin ist mein Herzstück: Egal ob Schreiben, Tastings, Events oder Schaumweinauswahl – bei mir treffen Sie auf Know-how und prickelnde Leidenschaft!
