Weinwettbewerb: Qualität oder doch nur Marketing? Die Auswahl an Wein und Schaumweinen ist so groß wie noch nie. Bei dieser ungeheuren Vielfalt fühlt man sich als Konsument oftmals überfordert. Wie soll man bei diesem Sortiment den passenden und besten Wein herausfinden?
Sicherlich kann der Weinhändler oder -berater kompetent weiterhelfen. Aber es gibt auch die Medaillen auf den Flaschen, die Qualität versprechen. Was steckt hinter diesen Medaillen und wie funktioniert diese Art der stillen „Beratung“? Welche Bedeutung haben Weinprämierungen heute und werden sie vom Verbraucher überhaupt wahrgenommen? Diesen Fragen bin ich nachgegangen und habe das Wichtigste über Weinwettbewerbe aufgeschrieben.
Was sind Weinwettbewerbe eigentlich?
Schaut man sich den Begriff „Weinwettbewerb“ einmal genauer an, dann könnte man in wie folgt beschreiben:
„Ein Weinwettbewerb ist eine privat oder geschäftlich organisierte Veranstaltung, bei der geschulte Juroren und/oder ausgewählte Verbraucher Weine verschiedener Jahrgänge, Kategorien und/oder Rebsorten etc. nach festgelegten Kriterien wie einem Punktesystem bewerten. Meist findet dies im Rahmen einer Blindverkostung statt, um die Meinungsbildung der Juroren nicht zu beeinflussen.“
Nicole Wolbers DipWSET
Generell ist es das Ziel jeder Weinprämierung, eine möglichst faire und gerechte Bewertung der eingereichten Weine zu erreichen. Dabei unterscheiden sich die Weinprämierungen stark in ihrer Durchführung.
Wettbewerb ist nicht gleich Wettbewerb
Dies kann ich aus meiner langjährigen Tätigkeit als Jurorin bei verschiedenen (internationalen) Weinwettbewerben bestätigen. Die meisten Wettbewerbe, wie auch der weltweit führende Weinwettbewerb Decanter, konzentrieren sich auf so genannte off-trade Weine, also Weine, die in Weinhandlungen, Shops etc. zu kaufen sind. Es gibt aber auch spezialisierte Wettbewerbe wie den Sommelier Wine Award, der nur on-trade, also Gastronomieweine bewertet. Andere Wettbewerbe sind auf Roséweine oder Schaumweine spezialisiert. Der weltweit bekannteste Wettbewerb für Schaumweine ist die Champange & Sparkling Wine Wolrd Champagionship. Bei den Roséweinen haben sich die Wettbewerbe Rosé Championship oder Mondial du Rosé einen Namen gemacht.
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International versus regional
Weiterhin ist zu unterscheiden zwischen Wettbewerben, bei denen internationale Weine verkostet werden, wie die oben genannten Veranstaltungen, und Wettbewerben, bei denen nur regionale oder nationale Weine verkostet werden. Zu letzteren gehören die Wettbewerbe des Deutschen Weininstituts oder auch der Bundesländer, wie z.B. die Prämierung der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz.
Jurorenriege
Auch bei der Zulassung der Juroren unterscheiden sich die Wettbewerbe: Einige lassen nur Weinfachleute zu, andere eine Mischung aus weinaffinen Verbrauchern und Juroren. Andere Wettbewerbe lassen nur neue Juroren zu, die von bereits aktiven Juroren empfohlen werden. Auch der Ablauf eines Wettbewerbs ist unterschiedlich. Meistens trifft sich ein kleines Team mit einem leitenden Juror und die Weine werden blind verkostet, so z.B. bei der International Wine & Spirits Competition oder auch bei der Berlin Wein Trophy.
Andere Wettbewerbe wie der AWC Vienna bilden ebenfalls eine Verkostungsgruppe, aber jeder Juror verkostet für sich allein. Um die Stabilität der Verkostung zu überprüfen, werden zwischendurch immer wieder bereits bewertete Weine nachverkostet. So kann überprüft werden, ob die Juroren ihre Punkte konstant vergeben.
Geheimnis der Punktesysteme
Ein sehr großer Unterschied ergibt sich aus der Punktevergabe. Da einige Wettbewerbe wie die New Zealand Wine Shows die 20-Punkte-Skala verwenden, die meisten aber die 100-Punkte-Skala, ergibt sich durch die unterschiedlichen Punktespannen für Bronze-Medaillen etc. eine unterschiedliche Anzahl an Medaillengewinnern. Um dennoch den Besten der Besten zu ermitteln, wird z.B. ein Trophy-Sieger der Kategorie oder der Titel „Best of“ klassifiziert. So hat man einen eindeutigen Sieger, der aus der Menge der Medaillengewinner heraussticht. Anbei zwei Beispiele anhand AWC Vienna und Decanter Awards:
AWC Vienna
84 bis 86.9 Punkte | Seal of Approval |
87 bis 89.9 Punkte | Silbermedaille |
ab 90 Punkte | Goldmedaille |
Decanter World Wine Awards
86 bis 89 Punkte | Bronze |
90 bis 94 Punkten | Silber |
95 bis 100 Punkten | Gold |
bester Wein 95 bis 100 Punkten | Platin |
der beste Platin Wein | Best-in-Show |
Weinwettbewerb – eine Erfindung unserer Zeit?
Nein, bereits 1224 beschrieb Henry d’Anteli in seinem Gedicht „Battle of the Wines“ die Geschichte einer berühmten Weinprobe in Frankreich. Organisiert vom französischen König Philipp August wurden über 70 Weinproben aus ganz Europa nebeneinander verkostet und von einem englischen Priester bewertet. Hervorragende Weine erhielten die Auszeichnung “ Celebrated“, schlechte Weine wurden „Excommunicated“.
Seitdem hat sich der Weinmarkt zu einem Wirtschaftszweig von enormer Bedeutung entwickelt. Heute gibt es eine Vielzahl von Weinen in allen Preisklassen und aus aller Welt. Jedes Jahr kommen neue Weine und Anbieter hinzu, während die Zahl der treuen Weinkunden abnimmt. Angeregt durch die Vielfalt und den schnelllebigen Lebensstil möchte der heutige Kunde sein Weinwissen und seinen Geschmack erweitern und greift immer wieder zu neuen Marken. Dies führt zu einem extremen Wettbewerb unter den Weinanbietern, um sichtbar zu bleiben. Die Weinwettbewerbe haben sich dieser Frage angenommen, wie man sich von der Masse abheben kann.
Wer nimmt teil?
So unterschiedlich die Wettbewerbe sind, so unterschiedlich sind auch die Gründe für die Teilnahme bzw. für die Einreichung der Weine. Einer der Hauptgründe ist, dass die Medaillen dem Verbraucher und dem Produzenten als Qualitätsmerkmal dienen sollen. Es kann fatal sein, wenn die Qualität des Weinwettbewerbs nicht den Geschmack der Verbraucher trifft. Der Konsument wird kaum einen anderen Wein mit diesem Prädikat kaufen.
Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass die Weinprämierungen insgesamt zu einer Qualitätsverbesserung der Weine (im unteren und mittleren Preissegment) beigetragen haben. Schlecht gemachte oder fehlerhafte Weine begegnen mir bei Wettbewerben kaum noch. Ein Problem könnte sein, dass der Weinwettbewerb dem Konsumenten gar nicht bekannt ist. Es besteht aber auch die Gefahr, dass zu viele Weine mit der gleichen Auszeichnung auf einmal im Regal stehen. Die Folge wäre, dass der Verbraucher das Label nicht mehr als etwas Besonderes wahrnimmt.
Weinwettbewerb: Nicht jeder Wein gewinnt überall gleich!
Alles in allem muss der Winzer also abwägen, wo er seinen Wein oder Sekt an den Start bringt. Ein und derselbe Wein kann bei einem Weinwettbewerb gewinnen, aber nicht unbedingt bei einem anderen. Last but not least sind Verkoster auch nur Menschen, die ihrem Geschmack folgen und sich dabei an die vorgegebenen Regeln halten. Auch hier können die Ergebnisse unterschiedlich ausfallen.
Was bringt mir dann ein Medaillenwein?
Letztendlich sind die Weinwettbewerbe eine gute Orientierungshilfe für den Weinliebhaber, wenn er herausgefunden hat, welcher Wettbewerb seinen Geschmack trifft.
Man muss sich aber immer vor Augen halten, dass die Medaillen dazu dienen, den Wein hervorzuheben, also zu vermarkten, und dafür wird der Wettbewerb ja auch von den Winzern bezahlt. Dagegen ist nichts einzuwenden, aber man sollte Weinwettbewerbe nicht als das Nonplusultra betrachten. Viele gute Weine können aus verschiedenen Gründen nicht an den Wettbewerben teilnehmen und es wäre schade, sie außen vor zu lassen.
Zusammenfassend für Euch meine Tipps:
- Renommierte Weinwettbewerbe vergleichen – wenn ein Wein oder Schaumwein bei verschiedenen Wettbewerben gewinnt, muss etwas Wahres dran sein.
- Findet Eueren Geschmack heraus, indem Ihr selbst Punkte vergebt! Vergleicht diese Punkte mit denen von Wettbewerben. Wenn Ihr eine Übereinstimmung findet, umso besser, dann kann dieser Wettbewerb vielleicht der Richtige sein.
- Nie vergessen! Viele Top oder stilistisch besondere Weine wie z. B. PET NAT finden selten ihren Weg in die Weinwettbewerbe. Bei regulären Weinwettbewerben werden diese Weine oft nicht so gut bewertet, da sie dem allgemeinen Geschmacksprofil nicht ähneln.
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Credits:
Bei diesem Artikel handelt es sich um meine persönliche Meinung. Er wurde nicht in Auftrag gegeben und übernimmt keine Gewährleistung von Vollständigkeit. Weiterführende Links dienen der Wissensvermittlung.
Fotos – Canva/Nicole Wolbers